Außerordentlicher Mensch und Künstler

Wer in den letzten sechs Jahren die Bayreuther Festspiele besuchte, erzählt mit begeisterten Worten von Stefan Mickisch. Dem 41jährigen Pianisten ist es in seinen Einführungsvorträgen zu den Opern Richard Wagners gelungen, ein staunendes Publikum im Sturm zu erobern. Seine seltene Doppelbegabung von didaktischer Eloquenz und pianistischem Reichtum machen seine Vorträge jeden Tag neu zu einer außergewöhnlichen Begegnung. "So souverän, locker und sensibel zugleich übermittelte Leonard Bernstein einmal die Geheimnisse der Musik."

Stefan Mickisch ist in der bayrischen Oberpfalz, in der Nachbarschaft zu Franken geboren. Seine seelischen Verankerungen in die heimatliche Kulturlandschaft sind tief. Bodenständige Sprache, bewusst gemachte Religiosität, ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein, Bindung an alte Werte zeigen seine Wurzeln. Sein musikalisches Elternhaus vermittelte erste künstlerische Impulse, seine pianistische Begabung wurde systematisch und gründlich gefördert. Nürnberg, Hannover, Wien waren die anspruchsvollen Ausbildungsstätten, die Wettbewerbe von Jugend musiziert und internationale Concours sein erfolgreiches Terrain.

Stefan Mickisch geht seinen Weg als freiberuflicher Pianist engagiert und zielstrebig. Er verlässt sich am liebsten auf sich selbst. So strebte er nach seiner Ausbildung nicht unbedingt eine übliche Karriere in Zusammenarbeit mit Orchestern an. Er erarbeitete sich ein breites Repertoire von Bach bis zur Moderne, begleitete renommierte Sänger an Liederabenden, gründete 1992 die Robert Schumann-Gesellschaft Bayern.

Um diese Zeit begann er sich als Pianist intensiv mit den Opern Richard Wagners zu beschäftigen. In Transskriptionen und eigen gestalteten Paraphrasen drang er in ihren Kosmos ein. Faszinierend ist es zu erleben, wie sein Wissen ständig wächst, wie seine Vorträge von mal zu mal neue Aspekte ausleuchten. Mit gestalterischer Kraft fokussiert er Szenen aus den Opern auf dem Klavier und setzt sie transparent und leuchtend um. Wer einmal seine Klavierbearbeitungen der Ringfinali im Konzertsaal gehört hat, weiß um seine immensen schöpferischen Kräfte. Hautnah wird Wagner an Menschen vermittelt.

Stefan Mickischs Vortragskunst hat sich international herumgesprochen. Er wird zu Konzerten und Vorträgen in alle Welt eingeladen. Dabei erarbeitet er sich neue Gebiete wie die Sinfonien Ludwig van Beethovens oder die Opern von Richard Strauss. Jüngst ist er zum ausgesprochenen Liebling der Wiener geworden. Wann ist es dort schon einmal vorgekommen, dass eine Matinée in der Staatsoper bis auf den letzten Platz besetzt und seine nächste Veranstaltung am ersten Tag restlos ausverkauft war?

Jutta Lampart, April 2004